Inside | Der Bessermacher aus dem Norden
10.08.2021, 08:15
Optimales Training, wertschätzende Kommunikation und individuelle Förderung: So will Stefan Hedlund die SCRJ Lakers nach vorne bringen. «Inside» beobachtete ihn beim ersten Training auf heimischem Eis.
Im Bully-Kreis tummeln sich sieben Spieler. Sie führen alle einen Puck am Stock, sie dribbeln und kurven in engen Bögen um ihre Mitspieler. Sie versuchen, den Puck eines Teamkollegen aus dem Kreis zu spielen – ohne den eigenen zu verlieren. Es ist eine von den ersten Übungen, die Stefan Hedlund in der Saison 2021/22 auf heimischem Eis machen lässt. Sie scheint den wie immer bei den ersten Eistrainings sehr gut gelaunten Spielern Spass zu machen. Vor allem jenen, die zuletzt noch im Kreis stehen und das Spielchen gewonnen haben.
Aufmunternde Worte
Hedlund erzeugt nicht nur mit solchen Übungen gute Laune. Zwischen den Einheiten wechselt er dann und wann ein paar Worte mit einem einzelnen Spieler. Einmal tätschelt er einen auf den Helm, ein andermal legt er einem den Arm auf die Schultern. Die Spieler haben nach diesen kurzen Begegnungen ein Lächeln im Gesicht.
Inside: Alle wollen wissen, wer du bist und was du mit den Lakers vorhast. Jetzt musst du immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Ich will nicht, dass du dich langweilst – welche Fragen soll ich dir also stellen?
Hedlund: Du kannst mich fragen, warum das Team eine gute Saison machen wird. Das wäre für mich die richtige Frage.
Inside: Warum wird das Team eine gute Saison machen?
Hedlund: Weil wir tolle Typen in unserem Team haben. Sie geben alles dafür, für diesen Club und diese Stadt etwas Spezielles zu erreichen. Sie hatten Erfolg in der letzten Saison. Jetzt haben sie ein Gefühl bekommen, was hier los sein kann mit diesen grossartigen Fans. Ich glaube daran, dass wir weitere Erfolge haben können, wenn wir unsere Hochleistungskultur leben und die tägliche Arbeit sehr gut machen.
Eine «High Performance Culture» will Hedlund bei den Lakers einführen. Er will Rahmenbedingungen schaffen, die aus jedem Spieler einen noch besseren Spieler machen: Deshalb hat Sportchef Janick Steinmann den 46-jährigen Schweden an den Zürichsee geholt.
«Er ist der Trainer, mit dem wir unsere Philosophie umsetzen können», sagt Steinmann. «Wir wollen Spieler aus- und weiterbilden. Damit möchten wir auch attraktiver werden für weitere Spieler. Wir planen nicht auf das nächste Spiel hin, sondern für die nächsten zwei bis vier Jahre. Dazu müssen Tagesstruktur und Mentalität stimmen – auf und neben dem Eis.»
Attraktives und schnelles Spiel
Hedlund will da anknüpfen, wo sein Vorgänger Jeff Tomlinson aufgehört hat. In der St. Galler Kantonalbank Arena soll auch künftig kein langweiliges skandinavisches Hockey-Schach zu sehen sein. «Wir wollen attraktives Hockey spielen», sagt Hedlund. «Es ist kein sehr grosser Unterschied zu dem, was Jeff gemacht hat. In den letzten Jahren sind die Leute auch gern ins Stadion gekommen.»
Der neue Trainer verspricht viel Tempo: «Wir werden Gas geben. Tempo bringt Emotionen und gibt den Spielern die Möglichkeit, ihren Charakter zu zeigen. Dafür arbeiten wir in dieser Phase der Saison sehr hart.»
Inside: Es heisst, du seist ein starker Kommunikator. Wie wichtig ist dabei die Sprache?
Hedlund: In der Garderobe und auf dem Eis ist das Deutsch nicht so wichtig, da spricht jeder Englisch. Aber beim Austausch mit dem Rest der Organisation, mit den Fans und den Medien, ist die deutsche Sprache sehr wichtig. Deshalb ist es entscheidend für mich, schnell Deutsch zu lernen.
Inside: Als guter Kommunikator wirst du viele Einzelgespräche führen. Planst du diese im Voraus? Oder gehst du intuitiv vor?
Hedlund: Jedes Teammitglied ist wichtig, ich will die Stars nicht bevorzugen. Auch die jungen Spieler müssen das merken. Deshalb habe ich eine Excel-Tabelle, auf der steht, mit wem ich wann und worüber spreche. So vergesse ich niemanden und gebe jedem gleich viel Zeit.
Inside: Du kommunizierst freundlich und aufbauend. Wirst du auch mal laut, wenn dir etwas nicht passt?
Hedlund: Ich habe einen anderen Führungsstil als die Nordamerikaner. Ich will den Spielern helfen, ich will sie nicht anschreien. Ich will nahe bei ihnen sein und sie individuell begleiten. Ich denke, so entsteht ein gutes Fundament für die Zukunft.
Gegen Ende des Trainings lässt Hedlund fünf gegen fünf spielen. Roman Cervenka erhält einen Steilpass, zieht allein auf Noël Bader los und versenkt souverän. «Nice play, I love it!», ruft Hedlund von den Bank aus. Cervenka, der sonst auf dem Eis die stoische Mimik des Schauspielers Buster Keaton hat, lächelt.
Gründlich und gut
Auch der Chronist, der diese Zeilen geschrieben hat, verlässt das Stadion lächelnd. Zum Abschied hat ihm nämlich Hedlund gesagt, das Interview habe Spass gemacht. Er habe die ungewöhnlichen Fragen sehr geschätzt und freue sich auf ein Wiedersehen.
Der Chronist funktioniert ähnlich wie Hockeyspieler: Er hat sich vorgenommen, den freundlichen und fleissigen Hedlund nicht zu enttäuschen. Er will seine Arbeit gründlich und gut machen. Deshalb sitzt er am Sonntagabend um zehn immer noch im Büro und gibt diesen Zeilen den letzten Schliff. Die neue «High Performance Culture» der Lakers soll ja nicht nur auf dem Eis, sondern auch daneben praktiziert werden.
Was Stefan Hedlund zu ehemaligen Rappi-Schweden sagt:
Niklas Nordgren? «Rechtshänder und Torschütze – ein grossartiger Spieler, der in Rapperswil einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat. Er kommt wie ich aus Nordschweden.»
Christian Berglund? «Ein harter Spieler mit einem tollen Charakter. Er hat im Schweizer Hockey beeindruckende Leistungen gezeigt und auch unserer Nationalmannschaft viel gebracht.»
Sanny Lindström? «Ich kenne ihn gut und sprach lange mit ihm, bevor ich mich entschied, nach Rapperswil zu kommen. Er war ein grossartiger Verteidiger, leider musste er seine Karriere wegen Verletzungen zu früh beenden. Jetzt ist er in Schweden ein TV-Star.»
> Hier geht’s zu Stefan Hedlund auf Elite Prospects
> Hier spricht Sportchef Janick Steinmann über das neue Trainerteam
Martin Mühlegg